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Aus dem Leben der Goethe-Gesellschaft, Ortsvereinigungen

Ein Nachruf auf Klaus Hufeland im Essener „Lynkeus“


Wer glaubt, dass sich der Vertretungsanspruch dieser mythischen Figur allein auf den zweiten Teil von Goethes „Faust“ bezieht, erliegt einem Irrtum. Seit 2013 erscheinen unter diesem Titel „Mitteilungen und Veröffentlichungen der Goethe-Gesellschaft Essen e. V.“ in der Verantwortung ihres Vorsitzenden Dr. Bertold Heizmann. Hefte können zum Selbstkostenpreis von 3,00 € zuzüglich Porto bei der Geschäftsstelle in Essen (Gewalterberg 35, 45227 Essen) bezogen werden. Seit Februar 2023 liegt das siebente Heft vor. Mit Bildern reich ausgestattet – selbst Hans Traxler ist vertreten –, enthält es einen Aufsatz von Prof. Volker Hesse zum Thema „Goethe und Kinder“, darüber hinaus Hinweise auf Publikationen, aber auch einen witzigen Beitrag zum unerschöpflichen Thema „[Goethe] Auf den Hund gekommen“. Heft 2 des „Lynkeus“ hatte einen Aufsatz von Klaus Hufeland über Goethes Gedicht „Das Tagebuch“ enthalten, den er auch in Weimar zum Vortrag gebracht hatte. Klaus Hufeland starb am 1. April 2022. Die Gesellschaft in Essen hat ihm viel zu verdanken. Bertold Heizmann hat ihm im „Lynkeus“ einen schönen, warmherzigen Nachruf gewidmet, in dem aus Essener Perspektive seine Verdienste ans Licht gestellt werden. Er sei nachfolgend mitgeteilt:

Klaus Hufeland (Foto: privat)

Ein Zufall hat Klaus Hufeland zur Goethe-Gesellschaft Essen geführt, ein Zufall, der in der Laudatio zu seiner Ernennung als Ehrenmitglied der Weimarer Goethe-Gesellschaft 2005 von seinem Laudator Benedikt Jeßing, der ihm als Vorsitzender nachfolgte, als „Glücksfall und für die Ortsvereinigung Essen möglicherweise die Rettung“ bezeichnet worden ist (Goethe-Jahrbuch 122, 2005, S. 441). Der gebürtige Berliner, der Germanistik, Geographie und Philosophie in Mainz, Berlin und Basel studierte, 1965 mit einer Arbeit zur Schwankdichtung des Spätmittelalters promovierte, gehörte zur scherzhaft „Gummistiefel-Generation“ genannten Erstbesetzung der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum. Am Germanistischen Institut wirkte er dort zunächst als Wissenschaftlicher Assistent, nach seiner Habilitation 1972 als Dozent. Zum 1. Januar 1980 wurde er zum Professor für Deutsche Literatur des Spätmittelalters ernannt, ein Amt, das er bis zu seiner Emeritierung 1995 ausübte. Dem Mediävisten Hufeland lag naturgemäß die mittelhochdeutsche Klassik, über die er zahlreiche Vorlesungen hielt, näher als die Weimarer Klassik, obwohl er weitläufig mit dem zeitweiligen Leibarzt Goethes verwandt war. Deshalb bedurfte es des angesprochenen Zufalls, dass er Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Essen wurde: Zusammen mit seiner Frau, der Sängerin Karin Hufeland, besuchte er gelegentlich Veranstaltungen der Essener Ortsvereinigung, und seine Frau erfreute die Mitglieder und Gäste auch einige Male mit ihren Gesangsdarbietungen. Es war allerdings um die Goethe-Gesellschaft Essen damals nicht allzu gut bestellt. Die Mitgliederzahlen waren schon seit längerem rückläufig, und die Vorträge waren meist allzu fachwissenschaftlich. Als der damalige Vorsitzende Dr. Schneider schwer erkrankte, bat er Hufeland, den Vorsitz stellvertretend zu übernehmen; aus dem zunächst als vorübergehend gedachten Engagement wurde dann, nach Schneiders Tod, die von 1985 bis 2004 währende Tätigkeit als Vorsitzender. Dieses Amt füllte Professor Hufeland, zusammen mit seiner unermüdlich tätigen Ehefrau, umsichtig aus. Die Organisation wurde gestrafft; die Veranstaltungen beschränkten sich nicht nur auf wissenschaftliche Vorträge, sondern umfassten Konzerte, Symposien und Aufführungen. Legendär sind auch die vom Ehepaar Hufeland durchgeführten Exkursionen zu den unterschiedlichsten Goethe-Orten. Hufeland war auch selbst als Vortragender vor verschiedenen Goethe-Gesellschaften tätig. In bester Erinnerung ist sein Vortrag über Goethes erotisches Gedicht „Das Tagebuch“, das er auf der Basis der mittelalterlichen höfischen Kultur der Liebe interpretierte und damit eine überzeugende Brücke zu seinem eigentlichen Fachgebiet schlug. Die Goethe-Gesellschaft Essen hat das Manuskript zu diesem Vortrag in ihrer Vereinszeitschrift „Lynkeus“ (Heft 2, April 2014) veröffentlicht.

Als Universitätsangehöriger setzte sich Hufeland auch intensiv für den internationalen Austausch ein: Von 1968 bis 1978 leitete er Ferienkurse für internationale Studierende, von 1978 bis 1998 gab er im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung Ferienkurse für polnische Germanisten und Germanistinnen an der Akademie Klausenhof in Bocholt.

Viel Zeit und Verve verwendete das Ehepaar Hufeland auf die Pflege des Erbbauhofes mit Garten auf der Grenze zwischen Essen und Bochum, die restaurierte Scheune mit ihrer Deele, in der sich viele Gegenstände aus der Goethezeit ansammelten. Erwähnenswert ist dies insbesondere deshalb, weil fast alle Referenten, die sich zu Vorträgen in Essen einfanden – und dies war ausweislich der Veranstaltungsübersichten die germanistische Elite nicht nur Deutschlands –, in diesem historischen Gebäude beherbergt und verköstigt wurden. Einer der Referenten, der Kölner Germanist Karl Otto Conrady, hat dieser schönen Gepflogenheit ein literarisches Denkmal gesetzt: In seinem humoristischen Büchlein „Goethe was here“ (1992) lässt er Goethe redivivus auf seiner Reise durch Deutschland nach der Wiedervereinigung auch in Hufelands Zuhause einkehren. Geselligkeit wurde bis zuletzt in seinem Haus großgeschrieben, ihrer durfte sich nicht zuletzt auch der hier Unterzeichnende erfreuen.

Als Professor Hufeland im Herbst 2004 den Vorsitz der Goethe-Gesellschaft Essen an Professor Benedikt Jeßing übergab, wählten ihn die Mitglieder einstimmig zu ihrem Ehrenvorsitzenden, und im Jahr darauf ernannte ihn die Goethe-Gesellschaft in Weimar zu ihrem Ehrenmitglied. Trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme blieb er der Essener Ortsvereinigung stets verbunden, noch im September 2021 konnten wir ihn und seine Frau bei der Feier zum 100jährigen Bestehen der Essener Goethe-Gesellschaft als Ehrengäste begrüßen.

Professor Hufeland starb am 1. April 2022. Unter großer Anteilnahme wurde er in Bochum beigesetzt. Er hinterlässt seine Frau und einen Sohn. Die Goethe-Gesellschaft Essen, die ihm so viel zu verdanken hat, wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.


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