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Natur & Poesie als „Glückliches Ereignis“– die Hauptversammlung 2025 in Weimar
Als Fest der Gespräche und Begegnungen, Informationen und Anregungen, Gelegenheit, alte Freunde zu treffen und Neues zu erfahren, Entdeckungen zu machen – kurz: als Veranstaltung, wie sie unserem stets für neue Kenntnisse und Informationen offenem Namenspatron wohl gefallen hätte, erlebten die meisten Mitglieder die 89. Hauptversammlung in Weimar vom 13. bis zum 15. Juni 2025. Wäre er als Flaneur unterwegs gewesen, hätte ihn sicher auch gefreut, wie sich die Wege um den Frauenplan und die frühere Esplanade im Verlauf der Tagung langsam ein wenig orange aufzuhellen begannen: durch die farbigen Bändsel der Teilnehmer-Kärtchen.
Tradition hat inzwischen als ein kleines Highlight und einstimmender Auftakt das Symposium Junge Goetheforschung. Konzipiert hatten die Vortragsreihe diesmal Lina Sens und Diana Stört. Sie hatten ein facettenreiches Programm entworfen, in seiner thematischen Vielfalt und Besetzung durch Referenten nicht nur aus Europa repräsentierte es Goethes Verständnis von Weltliteratur. Darauf verwies auch Stefan Matuschek in seiner Begrüßung als Präsident, als er beteuerte, in seinem beruflichen Umfeld keine heterogenere Gruppe als die Goethe-Gesellschaft zu kennen. Die jeweils anschließenden Diskussionen, auch in den Pausen fortgesetzt bei Kaffee und Gebäck, lockerten das auf den ersten Blick recht kompakte und komplexe Angebot auf.
aktuell und zukunftsweisend
Den Auftakt bot Inge Heinemann aus Mainz und präsentierte ihre Untersuchung spezieller poetischer Formen: „Neuer und mächtiger dringt leuchtend die Flamme hinauf“. Asymmetrische Gegensätze in Goethes Distichen über Licht und Dunkelheit. Bumkyoung Kim aus Bamberg trug seine Überlegungen vor: Faust, der Vergessliche. Diskontinuität und Einheit des Dramas. Auch wenn Faust sich als Titel-Held mit schlechtem Gedächtnis erweise, blieben sein Streben und seine Selbsterneuerung Anlass genug, ihn als Figur immer neu zu entdecken und eben nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen, wie es ja auch weltweit auf Bühnen praktiziert werde, leider allerdings nicht immer in der schulischen Praxis. Prashant Kumar Pandey aus Prayagraj wollte unter dem Titel Zwischen Faszination und Entzauberung über Das Italienbild in den Werken von Goethe und Herder berichten, konnte aber leider nicht nach Weimar reisen. Deshalb übernahm Lydia Rammerstorfer aus Wien früher als geplant den Stab: Lebensmosaik. Johann Wolfgang Goethes Poetik der Künstlerbiographie am Beispiel des Benvenuto Cellini in Friedrich Schillers Horen. Eindrucksvoll belegte sie, wie das Medium der Horen die erste Fassung in Fortsetzungen prägte, Goethe seine eigenen Überlegungen zu Verständnis und Produktion von Kunst am Beispiel des Goldschmieds und Bildhauers aus Italien spiegelte und indirekt erläuterte. Damit lieferte sie einen gleichermaßen amüsanten wie hilfreichen Einblick in die mitunter recht profanen Arbeitsbedingungen, denen auch längst anerkannte Klassiker-Texte unterliegen konnten.
Ein Bonbon bibliophiler Art hatte sich Dennis Schäfer aus Princeton zum Thema genommen: Ernst Wolfgang Behrisch, das Buch Annette und Dichtung und Wahrheit: Überlegungen zum Amanuensis in Goethes Leben und Werk. Goethes Leipziger Freund hatte sich die Mühe gemacht, diese Gedichte in einem kunstvollen kalligrafischen Unikat zu verewigen, über testamentarische Umwege konnte Goethe später das Exemplar erwerben, heute behütet es das Weimarer Archiv. Es war beeindruckend zu verfolgen, mit welcher Hingabe sich Dennis Schäfer mit diesen frühen – und vielleicht nicht eben bedeutendsten – Versen Goethes beschäftigte, die wohl auch deshalb heute überliefert sind, weil er sie erst spät zurückerhielt und in extrem kunstvoller Form, sie ihn vor allem an einen guten Freund erinnerten. In der Pause berichtete Dennis Schäfer, wie sehr sich der freie akademische Austausch, ganz im Sinn von Goethes Idealen, jetzt auch für ihn in Princeton mit der aktuellen politischen Entwicklung verändert habe. Archivalische Akkuratesse zeichnet den Ansatz aus, mit dem Kimberley Wegner aus Bamberg Die Rolle von Goethes Bibliothek beim Entstehungsprozess der Italienischen Reise wohl im Wortsinn unter die Lupe nahm. Sie entdeckte, sortierte, archivierte und verglich die überlieferten Marginalien und Anstreichungen und zog daraus Schlüsse auf die Arbeit an dem Reisebericht. Neue Funde gelangen ihr dabei.
Goethe, der an einem weltweiten Dialog interessiert war, hätte mit großem Interesse gewiss gern verfolgt, wie Faust in der brasilianischen Literatur rezipiert wurde – Irene Bitinas aus Wien berichtete darüber – und welche Entwicklung die Rezeption des Werther in Polen nahm; dieser Frage und den Übersetzungen ist Julianna Redlich aus Wrocław nachgegangen. Beide zeigten in ihren Studien auch an einer Reihe von Beispielen, dass Goethes Einflüsse in beiden Ländern weit über eine direkte Übernahme durch Übersetzungen hinausreichten. Motive aus Faust und Werther wurden in jüngeren literarischen Texten aufgegriffen und variiert, weiterentwickelt und fortgeschrieben – gewissermaßen vererbt und neu belebt.

Dass auch Goethe selbst Gegenstand literarischer Texte wurde, konnte man in Rezensionen des Newsletters öfter nachlesen. Davina Beck aus Mainz hat viele Arbeiten der letzten Jahre gesichtet und stellte einige vor: „Aber wer ist er?“ Goethe als Figur in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur lautete ihr Ansatz. Einmal mehr demonstrierte sie, dass ein Klassiker nicht nur mit literarhistorischem Interesse gelesen werden muss und wiederbelebt werden kann, durchaus auch mit Humor, wie Karl Otto Conrady bereits 1994 bewies: Goethe was here. Parodistischer Scherz und Ernst. Im Rahmen der Vorträge der jungen Forschung ließ sich mühelos erkennen, wie aktuell, modern und sogar zukunftsweisend das Erschließen uralter, klassischer Themen und Texte sein kann.
Goethes Kosmos
Fast ein wenig festlich wurde es nach dem eher studentisch-saloppen Rahmen des Saals im Jugend- und Kulturzentrum mon ami am Freitag, dem 13. Juni, dann abends um 18:00 Uhr im Seminargebäude des congress centrums weimarhalle. Dort fand die traditionelle Eröffnungsveranstaltung mit Sekt-Empfang nach dem musikalischen Auftakt durch junge Künstler des Musik-Gymnasiums Schloss Belvedere in Weimar statt. Magdalena Kleinjung, Marie Mrosek, Paula Elsner und Robert Schlotter spielten zunächst von Joseph Haydn das Streichquartett in G-Moll; später brachten sie ebenso virtuos noch zwei der Fünf Stücke von Erwin Schulhoff für Streichquartett zu Gehör. Stefan Matuschek eröffnete als Präsident den feierlichen Abend mit seiner Begrüßung. Ausführlich ging er auf das diesjährige Thema ein: Goethe und die Natur: Staunen – Forschen – Mitempfinden und erinnerte dabei an die leider etwas in Vergessenheit geratene Tatsache – Klima-Leugner verharmlosen oder bestreiten sie gern – die Goethe nach Eckermanns Darstellung am 13. Februar 1829 so formulierte: „Die Natur […] hat immer Recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen“. Goethe habe sich im besten, damals so verstandenen Sinn als Dilettant der Natur genähert, sie geistig und sinnlich zu begreifen versucht und sei als Naturforscher bis heute interessant in seiner Haltung und seinem Ethos. Nicht um rücksichtslose Ausbeutung sei es ihm gegangen, sondern um eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen. Er sei der Natur mit Respekt begegnet, habe ihr Achtung und Demut entgegengebracht. Das sei sinnvoller und letztlich effektiver als die Illusion, der Mensch könne die Natur jemals vollständig technisch beherrschen. Die Natur teile ihre wesentlichen Besonderheiten und Inhalte selbst mit, wenn wir sie sorgsam beobachten, können wir vermeiden, sie und uns zugrunde zu richten.

Auch Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt ließ es sich nicht nehmen, dem Dichterfürsten seine Reverenz zu erweisen, und erläuterte die Bedeutung des geistigen Universums Jena und Weimar mit seinem hellsten Stern: Goethe. Der sei bis heute vorbildlich: ein Wanderer zwischen Welten, habe römische und italienische Kultur auf seiner Reise studiert und empirische Studien für seine Farbenlehre betrieben. Weimar verstand Voigt als Ort des Aufbruchs, erinnerte an das Bauhaus und die Tatsache, dass hier nach dem Ersten Weltkrieg zu Beginn der jungen Demokratie das Parlament tagte. Goethes Idee vom immer strebend sich bemühenden Faust begriff er als Einladung, dem Dichter und Naturforscher in seiner Offenheit und seinem Interesse, Neues zu entdecken und zu gestalten, zu folgen. Goethe habe die Freiheiten des Geistes und Denkens erschlossen und erweitert, Fühlen und Forschen zu verbinden gewusst und sei vor allem menschlich in seinem Wirken geblieben.
Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine dankte dem Ministerpräsidenten für dessen freundliche Worte über die kleine Große Stadt an der Ilm und machte darauf aufmerksam, dass gerade im Park dort um das Gartenhaus und Carl Augusts römisches Refugium der Klima-Wandel mit seinen für Baum und Strauch negativen Konsequenzen schwer zu übersehen sei. Goethe hätte, nicht nur als Naturforscher, sogleich erkannt, dass sie unserer Hilfe bedürfen. Wir müssten heute im Umgang mit unserer Natur neue Wege beschreiten, uns ihr mit Empathie nähern. Zeitgemäß laute heute die Gretchenfrage, wie wir es mit der Natur hielten? Wollen wir sie pflegen und erhalten oder hemmungslos ausbeuten mit absehbarem Ende?
Seinen Festvortrag über Die Erde und das Kapital: Karl Marx liest Goethe hatte Heinrich Detering als kompaktes Privatissimum angelegt, mit Folien unterlegt, präsentierte Abbildungen und Zitate und verwies auf seine aktuelle Publikation zum Thema: Die Revolte der Erde. Karl Marx und die Ökologie. Akribisch wies Detering mit seinen Zitaten nach, wie direkt Marx sich bis in das Manifest und das Kapital von Themen und Motiven Goethes, von dessen Lyrik und dem Faust habe inspirieren lassen. In der Nachfolge Goethes und von ihm angeregt habe er gedichtet, nicht nur während seines Studiums in Bonn. Goethes Gedanken über die Natur und deren Verständnis hätten bei Marx tiefe Spuren hinterlassen, auch in Bezug auf die soziale Evolution. Mit der fragwürdigen Erfindung des Papiergeldes habe Faust, unterstützt von Mephisto, sich als kolonialistischer Herrscher und Kapitalist etabliert, dabei ausbeuterisch und zerstörend in die Natur eingegriffen. Beide – Goethe und Marx – thematisierten den Epochenumbruch von der Feudalgesellschaft hin zur modernen industriellen Produktion. Konkrete Motive bei Goethe – etwa das Recht, je nach Stand zwei- bis sechsspännig Kutschen ausstatten zu dürfen – habe Marx direkt übernommen, im Feudalismus gültige Regeln, die freilich allgemein bekannt waren. Marx habe Goethe als Vordenker und zur plausiblen Illustration seiner Theorie gern und mit Gewinn gelesen und sich produktiv anregen lassen.

Einen weiteren Höhepunkt des Abends bildete die Verleihung der Goethe-Medaillen an Aeka Ishihara aus Tokio und Heinrich Detering aus Göttingen. Manfred Osten und Frieder von Ammon hatten die Laudationes übernommen. In ihrem Dankeswort berichtete Aeka Ishihara, dass ihr Weimar im Rahmen ihrer Studien zu einer zweiten Heimat geworden sei. Goethe habe vor 250 Jahren seine Arbeit in Weimar begonnen, just in demselben Alter, in dem sie vor 32 Jahren angefangen habe, in der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek eigene Forschungen anzustellen. Dank eines Stipendiums der Goethe-Gesellschaft habe sie damals in einem Gärtnerhaus im Park von Schloss Belvedere ihr Quartier beziehen können. Es sei anfangs nicht leicht für sie gewesen, sich in der in Japan traditionell männlich besetzten Domäne der Germanistik zu behaupten. In Köln habe sie ihre Dissertation mit dem Rigorosum erfolgreich abgeschlossen. Es gehe ihr wie Hermann Hesse: Goethe sei derjenige, dem sie in ihrer Arbeit am meisten zu verdanken habe. Und die Auszeichnung durch die Medaille ermutige sie, auch künftig weiter über Goethe zu forschen.
Eigentlich hätte es nach dem großartigen Festvortrag von Heinrich Detering keiner weiteren Laudatio bedurft, doch Frieder von Ammon ließ sich diese Aufgabe nicht nehmen. Horizonte zu erweitern, speziell der germanistischen Forschung, und dabei Maßstäbe zu setzen, habe sich als das Anliegen von Heinrich Detering im Rahmen seiner Arbeiten über Goethe erwiesen. Das gelte bei ihm auch in Bezug auf andere Autoren wie die Nobelpreisträger Thomas Mann oder Bob Dylan. Davon, dass Heinrich Detering, wie Frieder von Ammon ausführte, in seinen Studien sehr exakt auf Details achte und Wert auf deren genaue Bewertung lege, hatten sich die Zuhörer ja bereits überzeugen können. So verhalte er sich auch als Lyriker mit seinen eigenen Gedichten. Außerdem sei er stets bereit, Leistungen neidlos anzuerkennen. Insofern halte er es mit Goethe und dessen Sentenz in Ottiliens Tagebuch: Gegen große Vorzüge eines andern gebe es kein Rettungsmittel als die Liebe.
Die prägte auch die Dankesworte Heinrich Deterings. Es könne vorkommen, meinte der, dass einem eine Laudatio die Sprache verschlage. Doch auch aus einem anderen Grund sei er sehr bewegt. Er kam gerade von der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Kollegen Albrecht Schöne. Und Detering erinnerte daran, wie er selbst mit Studenten auf Goethes Spuren gewandert sei – etwa über den Brocken, durch Wetzlar oder in Weimar: An dieser Art, sich Goethe sinnlich zu nähern, hätte Albrecht Schöne gewiss seine Freude gehabt. Als Wanderung durch Goethes Kosmos und Anerkennung seines fortwirkenden Einflusses auf Erkenntnis und Gestaltung dieser Welt konnte man den Empfang verstehen. Der Abend, musikalisch festlich gerahmt und gekonnt aufgelockert, mit seinem breiten Spektrum an aktuellen Auseinandersetzungen mit Goethe und seiner Bedeutung in unseren Tagen, klang aus mit lebhaften Gesprächen bei Sekt. Dem Catering-Service war das kleine Kunststück gelungen, Goethes weiten Lebensweg vom Main an die Ilm auch kulinarisch abzubilden: Er verkaufte Thüringer vom Rost und Frankfurter Würstchen.
Dichtung und … Natur
Genossen die Teilnehmer die Eröffnung in der Weimarhalle noch als anregende Feierlichkeit, so stand am nächsten Morgen, dem Samstag, mit der Wissenschaftlichen Konferenz und den Arbeitsgruppen ein handfestes Angebot an Kompaktseminaren zur Verfügung, das in den Augen einiger Teilnehmer lediglich einen kleinen Schönheitsfehler aufwies: Da jeweils zwei Veranstaltungen gleichzeitig stattfanden, war es beim besten Willen nicht möglich, an allen teilzunehmen. Deshalb seien hier nur kurz die Titel sowie Referenten und Diskussionsleiter aufgelistet:
– Zum Sehen geboren, zum Kämpfen bestellt? Goethes Naturforschung heute
(Eva Geulen, Berlin, und Sophie Picard, Aix-en-Provence)
– Goethe und die Natur: Proto-ökologisches Denken um 1800
(Heather Sullivan, San Antonio, und Vibha Surana, Mumbai)
– Poetische Kosmologie: Sonne, Mond und Sterne in Goethes dichterischem Werk
(Ernst Osterkamp, Berlin, und Marisa Siguan, Barcelona)
– Vornacht der Zeiten. Goethes Geologie in ihren zeitlichen Dimensionen
(Thomas Schmuck, Weimar, und Guanghua Mo, Chengdu)
– Goethes Kartensammlung und die Geschichte der Geographie in seiner Zeit
(Aeka Ishihara, Tokio, und Raymond Heitz, Metz)
– Geschichte einer alten Grille. Goethe und die Zeitlichkeit der Natur
(Thomas Steinfeld, Skillinge, und Wojciech Kunicki, Wrocław)
Für das diesjährige Podium zum Thema Natur dichten. Goethe und die Gegenwart war es den beiden Moderatoren Paula Wojcik und Frieder von Ammon gelungen, Teilnehmer zu gewinnen, die sich als ausgewiesene Goethe-Kenner und Spezialisten sowie als Lyriker selbst hervorgetan hatten: Daniela Danz, Heinrich Detering, Dirk von Petersdorf und Sophie Reyer. Mitgebracht hatten sie – als ‚Sprungbretter für die Diskussion‘ – selbst gewählte Zitate aus Goethes Werken, um an Hand dieser Texte ihre eigenen Vorstellungen über die Behandlung natürlicher Phänomene in der Literatur, speziell Lyrik zu erläutern. Die sich anschließende lebhafte Debatte mit dem Publikum bewies schlagend, dass klassische Naturdichtung mit modernen Ideen korrespondieren kann, dass fast ein Dialog über Generationen möglich ist, angesichts von Problemen, wie sie uns heute bedrängen, die aber bereits zu Goethes Zeit sich abzuzeichnen begannen und die sensible Geister wie er erkannten und in ihrer Kunst produktiv aufnahmen.
Als eine der größten literarischen Vereinigungen der Republik ist die ‚Muttergesellschaft‘ in Weimar beheimatet, der Goethe-Gesellschaft gehören aber auch die Ortsvereinigungen an, deren Vorstände traditionell alle zwei Jahre die Gunst der Stunde in Weimar zur Hauptversammlung nutzen, um im Gespräch zu bleiben, Kontakte zu pflegen und Erfahrungen auszutauschen. In den Jahren zwischen den Hauptversammlungen bietet es sich an, sich gegenseitig zu besuchen, wie es 2024 in Ludwigsburg geschah. Als Vorsitzende der Ortsvereinigung Nordenham berichtete Stefanie Seyfarth, wie es ihnen gelungen sei, nach der über Jahre erfolgreichen Tätigkeit von Burkhard Leimbach einen erfolgversprechenden Übergang zu organisieren. Das war möglich, weil er bereit war, das Ruder zu einem Zeitpunkt zu übergeben, als die Gesellschaft (wieder einmal) eine erfolgreiche Jahresbilanz aufzuweisen hatte. Als hilfreich erwies sich auch, dass sie nicht im engeren Zirkel des Vereins fündig werden wollten, sondern gezielt über eine Findungskommission geeignete Persönlichkeiten ansprachen und sie für die Gesellschaft gewannen. Stefanie Seyfarth hat inzwischen die Leitung übernommen und ihr Kurs trifft offensichtlich auf Zustimmung. Gern sind die Kollegen bereit, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Die Goethe Gesellschaft in Altenburg berichtete über ihre guten Erfahrungen mit ihrem Projekt eines ‚Buchquartetts‘. Die Mitglieder Kristin Jahn, Roland Krischke und Birgit Seiler machen sich mit einem Überraschungsgast auf den Weg zu unterschiedlichen Orten des Landkreises, um dort vor einem interessierten Publikum über ihre Lektüre-Erlebnisse zu plaudern. Hannes Höfer, als Geschäftsführer der Goethe-Gesellschaft vor Ort in Weimar, gab gemeinsam mit Gregor Lersch von der Casa di Goethe und Daniela Hauf über das Projekt eines im Rahmen der europäischen Kultur-Routen entstehenden Goethe-Wegs Auskunft, an dessen Ausarbeitung und Organisation die Goethe-Gesellschaft beteiligt ist und der natürlich Weimar einbeziehen soll. Er wird uns über die künftige Entwicklung auf dem Laufenden halten. Angepeilt ist, bis 2032 ein internationales Netzwerk der Goethe-Orte miteinander in Kontakt zu bringen. Zum nächsten Treffen der Vorstände der deutschen Goethe-Gesellschaften im Mai 2026 lädt Anne Bohnenkamp-Renken als Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, des Frankfurter Goethe-Museums und des Deutschen Romantik-Museums an den Main ein.

Am Abend standen wieder alternative Offerten auf dem Programm. Zunächst einige Führungen. Das Schiller-Museum bot die zentrale Ausstellung zum Themenjahr der Klassik Stiftung Weimar an: Faust. Eine Ausstellung. In der Herzogin Anna Amalia Bibliothek gab es Schätze der Faust-Sammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu sehen. Das Goethe- und Schiller-Archiv und Goethe-Nationalmuseum luden ein zu Goethes Metamorphosenlehre. Ausstellungsstücke aus dem Goethe- und Schiller-Archiv und den naturwissenschaftlichen Sammlungen – zu besichtigen waren die Exponate an beiden Orten. Ebenfalls möglich war ein Besuch der Theateradaption Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart oder ein Besuch des Theaters im Gewölbe am Markt, dort wurde Goethes Faust. Eine spielerische Annäherung gegeben. Angesichts der anstehenden Renovierung des Hauses am Frauenplan war es allerdings für viele Mitglieder besonders verlockend, den Geselligen Abend im Garten des Goethe-Wohnhauses zu wählen. Während des Abends waren auch die musealen Räume geöffnet. Wissenschaftsgeschichte wurde lebendig, als sich im Haus am Frauenplan Lutz Götze und Hans-Joachim Kertscher begegneten und über gemeinsame Bekannte ihrer Studien-Zeit im Umkreis von Hans Mayer in Leipzig Erlebnisse und Erfahrungen austauschten.
Glückliches Ereignis
„Sportlich“ fanden einige Mitglieder des Vorstands die Tatsache, dass seine Sitzung schon um 8:00 Uhr am Sonntagmorgen anberaumt war, um bereits um 9:00 Uhr mit der Ordentlichen Mitgliederversammlung beginnen zu können. Wegen ihrer außerordentlichen Verdienste in ihren Ortsvereinigungen, aber vor allem auch ihres Engagements für die Gesellschaft in Weimar wurden Claudia Leuser aus Nürnberg, Helmut Schanze aus Aachen sowie Heida und Siegfried Ziegler aus Erlangen mit der Ehrenmitgliedschaft der internationalen Weimarer Goethe-Gesellschaft ausgezeichnet. Zu den festen Programmpunkten der Hauptversammlungen und Treffen der Ortsvorstände gehören auch Berichte aus Frankfurt und Düsseldorf.

Regelmäßig war Christof Wingertszahn als Vertreter der Kippenberg-Stiftung und Direktor des Museums in Schloss Jägerhof vor Ort. Seine Nachfolge hat am 1. Mai Boris Roman Gibhardt angetreten und skizzierte die vorgesehenen Ausstellungen und Veranstaltungen der nächsten Zeit.
Bei seinem Tätigkeitsbericht konnte Stefan Matuschek darauf verweisen, dass die Vergabe des Werner-Keller-Stipendiums auf absehbare Zeit gesichert und ein Alumni-Verein in der Gründung begriffen ist. Wie alle anderen literarischen Vereinigungen müssen wir mehr und jüngere Mitglieder gewinnen. Dazu dienen weiterhin die Goethe-Akademien und Lehrer-Fortbildungen in Oßmannstedt, in beiden Aufgaben engagiert sich Hannes Höfer nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch als geschätzter Referent, wie er auch dank seiner profunden Kenntnisse und des anschaulichen Vortrags als gern gesehener Gast in unseren Ortsvereinigungen gefragt ist. Gemeinsam erarbeiten Stefan Matuschek und er mit Marc Grohall in der Reihe Reclam Kompaktwissen für Abiturienten passend zum Aufgabenschwerpunkt für die Prüfungen einen Band Literatur um 1800. Hannes Höfer hat auch die Podcast-Reihe 5 Minuten Goethe betreut. Sie ist auf unserer Webseite abzurufen und bietet handliche und amüsante Einstiege, Goethe aus ungewohnten Perspektiven kennenzulernen, etwa wie in der zwölften und vorerst letzten Folge Hanswurst und Oberlehrer, oder: War Goethe komisch?
Nachdem auch der Bericht des Schatzmeisters Siegfried Jaschinski und vor allem die anerkennende Bestätigung durch die Kassenprüfer positiv ausgefallen waren, konnte die Versammlung beruhigt zur Tat schreiten und den Antrag von Cornelia Brendel, den Vorstand zu entlasten, befriedigt annehmen, mit Enthaltungen der Beteiligten. Nach der „Corona-Delle“ habe die Zahl der Anmeldungen zur Hauptversammlung wieder zugenommen, konnte Stefan Matuschek feststellen, offenbar komme das gestraffte Programm vielen Berufstätigen entgegen. Zahlreiche Mitglieder waren bereits früher angereist oder genossen Weimars Flair noch ein paar Tage länger. Für die nächste Begegnung sucht der Vorstand nach neuen Räumlichkeiten, Ulrike Lorenz bot als Präsidentin der Klassik Stiftung an, dafür geeignete Möglichkeiten in ihrem Bereich zur Verfügung zu stellen.

Als krönenden Abschluss hatte Hannes Höfer für den Nachmittag des Sonntags eine Exkursion zum Goethe-Laboratorium und zum botanischen Garten ins benachbarte Jena organisiert. Dort wurde jüngst das Goethe Laboratorium im ehemaligen Inspektorhaus eröffnet. Frank Hellwig und Helmut Hühn führten durch die Sammlungen und Gewächshäuser, es war ein Vergnügen und Genuss zu erleben, mit welcher Begeisterung sie uns ihre Schätze präsentierten: vom Elefanten-Schädel (zum Thema Zwischenkiefer-Knochen) über den Ginkgo aus Goethes Zeit bis hin zu Ablegern der Goethe-Pflanze. Dank der freundlichen Weitergabe von Frank Hellwig wächst sie inzwischen wohl bei einigen Mitgliedern. Hannes Höfer hatte aber auch daran gedacht, einen Rundgang auf den Spuren Goethes und Schillers, des Glücklichen Ereignisses in Jena anzubieten, den Steffanie Kröger mit den Interessierten unternahm. Insgesamt darf man die Weimarer Tage 2025 im Namen Goethes wohl auch als ein „Glückliches Ereignis“ werten.
Titelfoto: Thomas Abé




