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50 Jahre Goethe-Gesellschaft Rudolstadt – ein halbes Jahrhundert gelebte Kulturpflege
Am 25. Oktober 2025 feierte die Goethe-Gesellschaft Rudolstadt e. V. ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Festakt im Sitzungssaal des Rudolstädter Rathauses. Über 50 Mitglieder, Gäste und Unterstützende kamen zusammen, um das langjährige Wirken der Gesellschaft zu würdigen, die seit einem halben Jahrhundert das geistige Erbe Johann Wolfgang Goethes in unserer Region lebendig hält. Der Pressedienst der Stadt Rudolstadt berichtet hierüber Folgendes:
In seiner Ansprache betonte der 1. Beigeordnete der Stadt, Mirko Schreiber, die große kulturelle Bedeutung der Goethe-Gesellschaft. Seit ihrer Gründung 1975 im Schloss Großkochberg habe sie durch Vorträge, Lesungen, Ausstellungen und Publikationen maßgeblich dazu beigetragen, Goethes Ideen in die Gegenwart zu tragen und die kulturelle Identität der Region zu stärken.
Die Gesellschaft sei mehr als reine Traditionspflege, hieß es weiter. Sie schaffe Räume für Bildung, Begegnung und Austausch, in denen das Gespräch zwischen Generationen und Disziplinen lebendig bleibe. Damit leiste sie einen aktiven Beitrag zur kulturellen Vielfalt und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Besonderer Dank galt dem langjährigen Vorsitzenden Hans-Günther Otto, der die Gesellschaft seit mehreren Jahrzehnten mit großem Engagement führt. Unter seiner Leitung habe sich die Goethe-Gesellschaft zu einem wichtigen kulturellen Netzwerk entwickelt, das weit über Rudolstadt hinausstrahle. Herr Otto sprach in seiner Rede offen über den hohen Altersdurchschnitt der Mitglieder und die Herausforderungen der Nachwuchsgewinnung, blickte jedoch zuversichtlich in die Zukunft: Das Programm für das kommende Jahr sei bereits erarbeitet und verspreche vielfältige Veranstaltungen.
Zusätzlich zu diesem Pressebericht würdigte die Stadt Rudolstadt das Engagement aller Mitglieder, die durch ihr Wirken das kulturelle Leben der Stadt bereichern und das Vermächtnis Goethes auf lebendige Weise fortführen. Diesen Gedanken unterstrich in seiner Ansprache auch der Ehrenpräsident der Goethe-Gesellschaft in Weimar, Professor Dr. Jochen Golz, und ging u. a. auf Goethes Position in den Konflikten seiner Zeit ein: z. B. seine Auffassung von Krieg und Frieden, seine Haltung zu den Weltreligionen.
Hans-Günther Otto berichtete in seiner Rede aus der Geschichte der Rudolstädter Goethe-Gesellschaft: Am 7. Dezember 1975 wurde die Goethe-Gesellschaft Rudolstadt – im Beisein des damaligen Präsidenten, Prof. Dr. Karl-Heinz Hahn, im gerade sanierten und rekonstruierten Liebhabertheater von Schloss Großkochberg gegründet. Der historische Hintergrund dieses Datums: Genau 200 Jahre zuvor, am 6. Dezember 1775, hatte Goethe zum ersten Mal Charlotte v. Stein auf Schloss Kochberg besucht.

Die Neu-Gründung einer Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft in der DDR war nicht unproblematisch und gelang den Initiatoren Horst Fleischer und der Sekretärin des Kulturbundes nur mit hohem Engagement unter der Kontrolle der staatlichen Institutionen.
Unter dem Vorsitz von Horst Fleischer von 1975 bis 1989 und danach von Hans-Günther Otto konnten unseren damals 80, heute 40 Mitgliedern und zahlreichen Gästen mehr als 600 Veranstaltungen mit Vorträgen, Lesungen, Theaterbesuchen, zahlreichen Exkursionen im In- und Ausland, musikalisch-literarischen Veranstaltungen, (u. a. zu Goethes Geburtstagen) und geselligen Abenden geboten werden. 1993 haben wir uns vom Kulturbund e. V. getrennt und sind seitdem die Goethe-Gesellschaft Rudolstadt e. V.
Im Mai 1996 trafen sich in Rudolstadt die Vorstände von 40 deutschen Ortsvereinigungen mit fast 100 Mitgliedern zur traditionellen Jahrestagung, darunter 10 aus Thüringen.
Hervorragende Germanisten und Wissenschaftler referierten in Rudolstadt, so unsere Ehren-Präsidenten Prof. Dr. Werner Keller und Prof. Dr. Jochen Golz, der amtierende Präsident, Prof. Dr. Stefan Matuschek, der ehemalige Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, Direktoren der Goethe-Museen aus Frankfurt und Düsseldorf: die Professoren Perels, Hansen und Wingertszahn, Germanisten verschiedenster Universitäten – viele aus dem Vorstand der Goethe-Gesellschaft in Weimar – und um nur einige zu nennen: die Professoren Ehrlich, Leistner und Manger, Katharina Mommsen aus den USA, James Reed aus Oxford, Segebrecht und Gockel aus Bamberg, Willems und Valk, Jutta Linder aus Messina, Anne Bohnenkamp vom Frankfurter Goethe-Museum, Helmut Schmiedt aus Köln u. v. a. Gern unterstützen wir auch das internationale Stipendiatenprogramm der Goethe-Gesellschaft, indem wir jungen Goetheforschern (in unserem Fall aus Polen, Ungarn, Russland, Litauen und Indien) ein Auditorium gaben, ihre Forschungsergebnisse auch bei uns darzulegen.
Zwanglose Diskussionen ergänzen stets die monatlichen Vorträge, wir spüren die Aktualität der Themen auf, so dass alle unsere Veranstaltungen bereichernd und aktivierend auf Geist und Seele wirken und zur heutigen Auseinandersetzung und Weiterbeschäftigung mit der Thematik anregen.
Festveranstaltungen würdigten unser 20-, 30- und 40-jähriges Bestehen auf Schloss Kochberg und der Heidecksburg, auch Goethes 250. Geburtstag und zusammen mit dem Schillerverein Rudolstadt – den es leider nicht mehr gibt – den 200. Todestag Friedrich Schillers.
Zunehmend besuchen Reisegruppen zahlreicher befreundeter Ortsvereinigungen der Goethe-Gesellschaft die Museen und Gedenkstätten von Rudolstadt und Umgebung und werben für unsere besuchenswerte Schiller-(und Goethe-)Stadt und ihre kulturreiche Umgebung; so die Goethe-Gesellschaften aus Bamberg und Basel, Bonn, Halle und Essen, Hamburg, Köln, Kronach, Leipzig und München, aus Nürnberg, Rosenheim, Stuttgart und Wetzlar.
Mit der Fertigstellung des Schillerhauses als Museum ist das Interesse an Rudolstadt weiter gestiegen, vor allem auch, nachdem die Exkursion innerhalb der 81. Hauptversammlung der internationalen Goethe-Gesellschaft 300 Interessierte Goethe-Freunde aus aller Welt nach Rudolstadt und Kochberg führte.
Goethe sammelte unendliche Kenntnisse und Erfahrungen auf Reisen, gern nahmen und nehmen wir seine Empfehlung aus „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ auf, wo er sagt: „Die beste Bildung findet der gescheite Mensch auf Reisen“. Unsere Reisen „Auf Goethes Spuren“ bereicherten die gelesenen, theoretischen Kenntnisse und führten u. a. nach Bad Lauchstädt, Weimar, Leipzig und Erfurt, Meiningen mit Bauerbach, nach Wörlitz und Dresden, nach Grenzöffnung sogleich nach Bamberg und Wetzlar, mit der Goethe-Gesellschaft Kronach durch Oberfranken, nach Frankfurt, München und Rosenheim, dann mehrfach nach Italien (Rom, Sizilien und Neapel), zwei Reisen in die Schweiz, in das Elsass, nach Luxemburg, Frankreich und Flandern, mit dem Rudolstädter Busunternehmen „Besser“-Reisen nach Böhmen und Schlesien, in die norddeutschen Kulturlandschaften, auf Fontanes Spuren durch die Mark Brandenburg, in die Kurpfalz und den Harz, zuletzt mit dem Schaufelraddampfer „Goethe“ auf und an den Rhein. Und eine Reise führte durch das antike Griechenland (wo Goethe gern gewesen wäre).
Inhalte unserer monatlichen Vorträge – die in erfreulichem Maße auch von vielen Gästen besucht werden – sind u. a. Goethes direkte Beziehungen zu Persönlichkeiten wie Schiller, Herder, Wieland und Eckermann, Mozart und Beethoven, zu den Familien Stein und Lengefeld, zu Napoleon, Jean Paul, Adele Schopenhauer oder zu Mitgliedern des Weimarer Hofs, sowie Goethes Beschäftigungen mit den Naturwissenschaften, der Ton- und Farbenlehre, mit Theater, Musik und der bildenden Kunst. Aber auch die Regionalgeschichte ist ein beliebtes Thema: so in Kooperationen mit der Historischen Bibliothek Rudolstadt, der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, den Schiller-Häusern in Rudolstadt und Jena und dem Fröbel-Museum Bad Blankenburg.
Danken möchten wir aktuell Dr. Barbara Heuchel und Edith Baars aus Sondershausen, die 2023 in ihrem Vortrag nicht nur ein bemerkenswertes Ergebnis zur Ahnenforschung Goethes präsentierten, sondern nun auch die genealogischen Forschungen zur Familie Göthe in der KulTourDiele Rudolstadt allen Interessierten zugänglich sind, und das bis zum 6. Dezember 2025.

Zahllose Literaturwissenschaftler haben zu Goethe und seinen Zeitgenossen, zur Weimarer Klassik und deren Wirkungen geforscht, und sie forschen weiter. Dem nachzugehen, ist eine bleibende und schöne Aufgabe, die die Goethe-Gesellschaften noch Jahrzehnte beschäftigen kann.
Unsere Ortsvereinigung will den Versuch gehen, 2026 mit unseren Veranstaltungen im und mit dem Schiller-Haus Rudolstadt zu kooperieren, damit die Goethe-Gesellschaft Rudolstadt und ihre öffentlichkeitswirksame Tätigkeit fortbestehen kann. Dies erfolgt ganz im Sinne von Goethes Brief an Schiller am 3. Januar 1795: „Wenn sich die gleichgesinnten nicht anfassen, was soll aus der Gesellschaft und der Geselligkeit werden. Ich freue mich in der Hoffnung, daß Einwirckung und Vertrauen sich zwischen uns immer vermehren werden.“




