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Aus dem Leben der Goethe-Gesellschaft, Interview

Vorstandsmitglieder im Portrait – Prof. Dr. Frieder von Ammon


Wie kamen Sie zu Goethe und zur Goethe-Gesellschaft?

Den ersten Zugang zu Goethe verdanke ich meiner Mutter, die mich früh auf ihn aufmerksam gemacht und mir einmal auch bei der Vorbereitung eines schulischen Referats geholfen hat. Wichtig war für mich weiterhin eine familiäre Reise nach Weimar kurz nach der Wende, ich ging damals noch auf das Gymnasium. Zur Goethe-Gesellschaft kam ich erst viel später und eher zufällig: Nachdem ich meine erste Rezension für das Goethe-Jahrbuch geschrieben hatte, forderte die Redakteurin Petra Oberhauser mich auf, Mitglied zu werden, was ich gerne tat. Dass ich einmal dem Vorstand der Goethe-Gesellschaft angehören würde, hätte ich mir damals jedoch nicht vorstellen können.

Ist Goethe noch aktuell oder eher ein Gegenstand für die Wissenschaft und das Museum?

Dass Goethe teilweise durchaus aktuell ist, zeigen die Debatten der vergangenen Jahre: Der „West-östliche Divan“ etwa konnte immer wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen. Neuerdings scheint Ähnliches für den ‚grünen‘ Goethe zu gelten, also für Goethes komplexes und in der Gegenwart offenbar (partiell) attraktives Konzept von ‚Natur‘. Diese und andere, aber keinesfalls alle Facetten seines Lebenswerks gehören ins Museum und werden dort ja auch auf angemessene und oft ansprechende Weise präsentiert. Der ‚ganze‘ Goethe ist jedoch vor allem ein Gegenstand für die Wissenschaft.

Goethe war Dichter, Wissenschaftler und Politiker – ist eine solche Vielseitigkeit heute denkbar oder gar wünschenswert?

Denkbar ist sie, es gibt auch immer wieder Beispiele dafür, doch in Zeiten einer zunehmenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierung wird sie sicherlich seltener werden. Wünschenswert ist sie aus meiner Sicht jedoch genauso wenig wie vor 200 Jahren, denn aus Vielseitigkeit folgen nicht zwangsläufig größere Erfolge auf den einzelnen Feldern.

Welche Eigenschaften Goethes sagen Ihnen am meisten zu?

Neben seiner fast unbegrenzten Offenheit in alle Richtungen ist dies vor allem sein nicht nur nie nachlassender, sondern mit fortschreitendem Alter sogar noch zunehmender Wille zu ständiger Veränderung und Weiterentwicklung.

Welche Werke Goethes stehen Ihnen besonders nahe?

Die Gedichte und die Briefe, außerdem WertherDie Wahlverwandtschaften und Faust.

Welche Funktionen kann oder soll die Literatur aus Vergangenheit und Gegenwart heute haben?

Meines Erachtens sollte man sich davor hüten, die Literatur auf bestimmte Funktionen festzulegen. Erwartungen, die ich an sie habe, sind jedoch: Beiträge zum Verständnis des Lebens und der Welt zu leisten und die Möglichkeiten sprachlicher Kommunikation zu bereichern. Goethes Werk erfüllt diese Erwartungen in einem außergewöhnlich hohen Maß.

Weimar ist Sitz der weltweit tätigen Goethe-Gesellschaft; was verbindet sie mit dieser Stadt?

Nach dem erwähnten Erstbesuch war für mich ein Aufenthalt als Stipendiat der Klassik Stiftung von großer Bedeutung. Spätestens seitdem verbindet mich tiefe Sympathie mit dieser Stadt. Immer freue ich mich, dorthin fahren zu können, und dort anzukommen – welch ein Glück!

Wie möchten Sie die Goethegesellschaft mitgestalten?

Ich möchte zu ihrer Modernisierung und Verjüngung beitragen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 2/2021.


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