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Goethe und Wieland – Die Wetzlarer Goethe-Gesellschaft in Weimar

von Dagmar Thum

Ende September 2025 haben 39 Damen und Herren das große Vergnügen, unter Leitung von Dieter Lehnhardt, dem 2. Vorsitzenden, und in Begleitung von Oliver Meyer-Ellendt, dem 1. Vorsitzenden der Wetzlarer Goethe-Gesellschaft, an Ort und Stelle der Zeit der Weimarer Klassik nachzuspüren. Bei der Hinfahrt liegt herbstlicher Sonnenschein über der stillen, grünen Landschaft und verspricht schönes Reisewetter. Natürlich waren die meisten Mitreisenden schon in Goethes Gartenhaus und kennen den Park an der Ilm, natürlich haben auch die meisten Goethes Wohnhaus am Frauenplan besichtigt sowie das Goethe-Nationalmuseum, aber das reichhaltige Programm, das Dieter Lehnhardt kenntnisreich für diese Reise vorbereitet hat, weiß die Gruppe sehr zu schätzen.

Die Besichtigungen des ersten Tages stehen ganz im Zeichen Goethes. 1772 in Wetzlar war Goethe jung, Charlotte noch zu haben und Werther quicklebendig – so sagt es der Prospekt unserer Goethe-Gesellschaft. Im November 1775, also vor 250 Jahren, kommt der 26-jährige berühmte Sturm-und-Drang-Dichter der „Leiden des jungen Werthers“ nach Weimar. Er findet in dem 19-jährigen Jungherzog Carl August einen Gleichgesinnten und Freund, der ihn in verschiedene Ämter einbindet, und Weimar wird seine Wahlheimat bis ans Lebensende. Zunächst wohnt Goethe in dem Gartenhaus an der Ilm, seinem persönlichen Refugium. In den bescheiden anmutenden kleinen Räumen empfinde ich als Besucherin eine gewisse Behaglichkeit, die der Dichter wohl geschätzt haben mag. Der weitläufige Park an der Ilm wurde unter Mitwirkung Goethes als englischer Landschaftsgarten gestaltet. Zahlreiche Sichtachsen und Brücken über die Ilm-Bögen beeindrucken ebenso wie die vielseitige Parkarchitektur und der wertvolle Baumbestand. Der Ilm-Park ist seit 1998 Teil des Ensembles Klassisches Weimar in der Welterbeliste der UNESCO.

1782 zieht Goethe in das Haus am Frauenplan, wo er später mit Christiane Vulpius und seinem Sohn August lebt, wo er arbeitet, wo er am 23. März 1832 stirbt. Die Räume, die immer noch eindrucksvoll Goethes Sammelleidenschaft dokumentieren, sind nach Goethes Farbenlehre angeordnet, das Arbeitszimmer befindet sich fast in seinem originalen Zustand. Zahlreiche Gäste und Besucher wurden im Haus am Frauenplan empfangen, so auch im September 1816 die 63-jährige Charlotte Kestner (geb. Buff) mit ihrer jüngsten Tochter, was Thomas Mann in seinem Roman „Lotte in Weimar“ als Mischung zwischen Fiktion und Wirklichkeit erzählt.

In dem geschichtsträchtigen Haus entsteht eine Art von Nähe zum großen Dichter, vielleicht wie bei uns in Wetzlar im Lottehaus … Vertiefen lässt sich dieser Eindruck anschließend im Goethe-Nationalmuseum, wo die Dauerausstellung „Lebensfluten und Tatensturm“ den Menschen Goethe näherbringen soll und seine Vielschichtigkeit als Künstler, Naturforscher und Politiker zeigt.

Nach diesen Führungen checken wir im Hotel Kaiserin Augusta ein, wo uns ein Sektempfang und das gemeinsame Abendessen mit thüringischen Spezialitäten – köstliche Rouladen mit Klößen und Rotkraut! – erwarten. Als Gäste beehren uns Prof. Dr. Jochen Golz, Ehrenpräsident der Weimarer Goethe-Gesellschaft, mit seiner Gattin, der in Wetzlar kein Unbekannter ist: Er hielt im Juni dieses Jahres einen mit großem Applaus bedachten Vortrag zu „Goethe und Schubert“. Ebenso war Dr. Siegfried Seifert, langjähriger Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar und Autor zahlreicher Bücher, schon als geschätzter Vortragender in Wetzlar.

Abends fahren wir ins Theater im Gewölbe, am Marktplatz in Weimar, ganz in der Nähe des berühmten Hotel Elephant. „Goethe und Wieland – Lobgesänge auf die Liebe“ steht auf dem Programm. Goethes Zeitgenosse Christoph Martin Wieland sagt: „Es hat der Natur nun einmal beliebt, zwei so ungleichartige Wesen, als Mann und Weib es sind, durch den Zauberring der Liebe an einander zu ketten. Zwei Wesen, die von keiner einzigen Sache in der Welt dieselbe Vorstellung haben, und keinen einzigen Augenblick dasselbe fühlen; und sich also unaufhörlich an einander irren müssen … was kann wunderbarer sein?“ Nun, dem Publikum werden von dem Schauspieler Peter Rauch und dem Musiker Hans Raths diese Irrungen und Wirrungen mimisch-musikalisch nahegebracht.

Der Theaterbesuch stellt das Scharnier für das weitere Programm dar, denn am nächsten Tag beschäftigten wir uns mit Christoph Martin Wieland (1733-1813). Er zählt zu den bedeutendsten, produktivsten und auch erfolgreichsten Schriftstellern zur Zeit der Aufklärung im deutschen Sprachgebiet, mit ihm beginnt die moderne deutsche Literatur. Herzogin Anna Amalia holt ihn 1772 als Erzieher für ihre beiden Söhne an den Weimarer Hof. Er schreibt ihr: „Bei den Prinzen hängt alles davon ab, daß sie es sich zur Gewohnheit machen, nie zu vergessen, daß sie Menschen sind, und daß sie folglich überall ihresgleichen sehen.“ Wieland ist Philosoph, Dichter, Übersetzer, politischer Journalist, Herausgeber der literarischen Zeitschrift „Der Teutsche Merkur“, mit seiner Frau Anna Dorothea, geb. von Hillenbrand, hat er 14 Kinder, er schreibt ein deutschsprachiges Opernlibretto – die Liste seiner Aktivitäten wäre durchaus fortzusetzen. Wir besichtigen das Wielandgut Oßmannstedt, das circa 10 km entfernt von Weimar ruhig auf dem Land gelegen ist. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch eine sanft hügelige Landschaft, die weiten Ackerflächen sind schon herbstlich vorbereitet. Christoph Martin Wieland wollte der Stadt Weimar den Rücken kehren und ließ sich hier von 1798 bis 1803 als poetischer Landjunker nieder. Unsere Gästeführerin erzählt amüsiert, dass Goethe über Wielands Umständlichkeiten bei Futterkräutern spöttelte: „Erst brachte er den sorgsam gebauten Klee mühsam durch eine teuer zu ernährende Magd zusammen, und ließ ihn von der Kuh verzehren, nur um zuletzt etwas Weißes zum Kaffee zu haben“.

Die Reisegruppe von der Goethe-Gesellschaft Wetzlar auf dem Wielandgut in Oßmannstedt. Foto: Goethe-Gesellschaft Wetzlar

Das Wielandgut Oßmannstedt ist heute Museum, Akademie der Klassik Stiftung Weimar und Forschungsstelle. Hier wird eindrucksvoll aufgezeigt: Ohne Christoph Martin Wieland wäre das goldene Zeitalter der Weimarer Klassik nicht möglich gewesen, er war der Älteste „von unseren großen Vier“, neben ihm Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller. Im Park des Gutes befindet sich am Ende der Lindenallee die Grablege von Wieland und seiner Frau Anna Dorothea und von Sophie Brentano. Es ist, wie Arno Schmidt schreibt, vielleicht das schönste Dichtergrab Deutschlands. So viel Klassik, so viel Kultur!

Vor der Rückfahrt kehrt unsere Reisegesellschaft leicht erschöpft, aber in heiterer Stimmung zum Mittagessen im Restaurant des Golfhotels Blankenhain im Weimarer Land ein, wo wir bei lebhaften Gesprächen diese Reise ausklingen lassen. Und stilvoll überreicht Oliver Meyer-Ellendt unserem umsichtigen Reiseleiter zum Abschluss noch ein humorvolles Dankeschön: Faust I und Faust II in Form von zwei knallroten Backhandschuhen, die Dieter Lehnhart vielleicht bei einem anderem Hobby – dem Brotbacken – nützlich sein können. Ein herzlicher Applaus ist unser aller Dank an die beiden Vorsitzenden der Wetzlarer Goethe-Gesellschaft für diese wunderbare Reise!


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