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Hilmar Dreßler: Der Vergleich (ein erschütterndes Analogie-Beispiel)

von Hans-Joachim Kertscher

Die Lektüre von Pascal Merciers (Pseudonym des Schweizer Philosophieprofessors und Bestsellerautors Peter Bieri) Roman „Das Gewicht der Worte“ (München 2020), der, kurz umrissen, von einem Übersetzer handelt, der seinem Leben in Folge einer ärztlichen Fehldiagnose eine gravierende Wendung angedeihen lässt, veranlasst den betagten Leipziger Musikpädagogen Hilmar Dreßler, dem Leser einen Blick in die eigene Erfahrungs- und Gefühlswelt zu erlauben. Auch er befand sich vor geraumer Zeit in einer ähnlichen Lage wie Mercier-Bieris Protagonist. Gelegentlich der gründlichen Lektüre des Buches machte der Goethekenner Analogien zu einer deprimierenden Situation im eigenen Leben aus. Auch bei ihm wurde ärztlicherseits eine Krebserkrankung diagnostiziert, auch er musste sich mit dem Gedanken vertraut machen, „dem Ende seiner Tage vorzuspüren, Bilanz zu ziehen, Versäumnissen im bisherigen Leben nachzutrauern“. Er verzichtete fortan auf die ihm lange Zeit gewohnte wissenschaftliche Tätigkeit, sein „Tagesgeschäft“ bestand nunmehr darin, „die schrumpfende verbleibende Zeit taten- und hoffnungslos zu verbringen“ (S. 17). Nach mehreren Jahren stellte sich dann heraus, dass die Krebs-Diagnose falsch war. Dreßler, der sich in verschiedensten Publikationen mit dem Analogiedenken Goethes auseinandergesetzt hat, kehrte, anders als der Protagonist in Mercier-Bieris Roman, zu seinem eigentlichen Metier, der Publikationstätigkeit, zurück. Die Krankheit hatte ihn angeregt, sich stärker als bisher mit dem Problem von Natur und Geist zu befassen und vor allem auf deren Zusammenhang zu verweisen. Ganz im Sinne Goethes, der die Analogie als Mittel der Theoriebildung im Hinblick auf Natur, Gesellschaft und Kunst als empfehlens­wert herausgestellt hatte, galt ihm hier als Vorbild für die Erkenntnis von Zusammen­hängen im Denken und Tun des Individuums, und so konstatiert er: „Natur und Geist als untrennbare Einheit zu betrachten und zu empfinden, hat noch stärker als ehedem in meine vielen Schriften und Bücher Eingang gefunden, meist in enger Verbindung mit meinem großen Vorbild Goethe, dem diese Symbiose stets Richtschnur in seinem Leben und Schaffen war.“ (S. 26)

Hilmar Dreßler
Der Vergleich (ein erschütterndes Analogie-Beispiel)

Westarp 2021
Kartoniert, 32 Seiten
ISBN: 978-3-96004-083-5

Preis: 13,95 €

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 2/2021.


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