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Goethe und … – die „Waffen des Dichters“

von Andreas Rumler

Endlos scheint die Reihe von Biografien über Goethe. Nicht leicht also, diesem Kosmos neue Seiten abzugewinnen. Und doch gelingt es verblüffender Weise mitunter. Naheliegende Themen wie Goethe als Reisender, Gärtner oder Naturforscher sind längst behandelt. Ungewöhnlich ist der Versuch, Goethes Leben an Hand von Waffen zu „erobern“. Angesichts seiner Abneigung gegen Krieg und Gewalt liegt dieser Aspekt nicht nahe. So erklärt sich auch, warum Karl Heinz Martini den Titel seiner umfangreichen Untersuchung (210 Seiten) recht defensiv formuliert: „… und die Waffen in seiner Zeit“, also ohne einen direkten Bezug anzudeuten.

In 18 Kapiteln folgt Martini dem Lebenslauf und belegt mit Zitaten aus Werken, Briefen, Gesprächen und anderen Quellen, welche Waffen Goethe literarisch einsetzte, mit welchen er Kontakt hatte oder selbst gehabt haben könnte. Klar, Kestners Pistole, von Werther / Jerusalem ausgeliehen, spielt dabei eine wichtige Rolle und wird ausführlich mit Abbildung an Hand eines Zeit-Online-Beitrags dokumentiert (S. 22). Bedeutung, Vorzüge und Nachteile von „Schwarzpulver und Vorderlader“ werden ausgiebig erörtert (S. 23). Fechten lernte Goethe und benutzte Waffen zur Jagd.

Diffiziler wird die Sache, wenn mit Waffen edleres als Wild, nämlich Menschen im Krieg, gejagt werden soll. Goethes reservierte Haltung zu Chauvinismus und speziell den „Befreiungskriegen“ ist bekannt. Als Friedrich II. von Preußen vom Weimarer Herzog verlangte, ihm Soldaten zum Kampf gegen Österreich zur Verfügung zu stellen und er seinen Wunsch mit möglichen „Konsequenzen“ untermauerte, stand Goethe „quasi“ als „Kriegsminister“ (S. 89) vor einem Dilemma. Dasselbe Ansinnen war aus Wien möglich, wie bereits zur Zeit der Herrschaft von Anna Amalia (S. 88).

Goethe löste das Problem diplomatisch, spielte auf Zeit, verfasste für Carl August ein ausführliches Memorandum, in dem er alle möglichen Konsequenzen des Verhaltens in Weimar erörterte. Martini beruft sich in seiner Darstellung dieses 10. Kapitels „Der Bayrische Erbfolgekrieg und die Aushebung von Rekruten“ (S. 88–94) weitgehend auf Albrecht Schönes Band „Der Briefschreiber Goethe“. Illustriert ist das Kapitel mit Goethes Zeichnung aus dem Rathaus von Buttstädt (S. 93).

Einzelnen Abschnitten von Goethes Biografie werden Waffen zugeordnet. Etwa „Husarenkarabiner“ dem „Feldlager in Schlesien 1790“ (S. 95–98). „Die Campagne in Frankreich und die Kanonade von Valmy“ geben Martini die Gelegenheit, ausführlich „Französische Artillerie“ vorzustellen (S. 99–111). Abbildungen von Truppen in Uniform oder Geschützen gehören zu den Illustrationen des liebevoll gestalteten Bandes.

Waffen-Freunde werden an dieser bislang wohl übersehenen Möglichkeit, Goethe kennenzulernen, gewiss ihre Freude haben. Leicht enttäuscht schließt Martini seine Darstellung mit dem Hinweis, die Waffen Goethes seien „nicht überliefert“, um dann – wie zum Trost – beruhigt feststellen zu können: „Das mit den Waffen des Dichters geschaffene Werk aber ist uns geblieben und hat ihn unsterblich gemacht.“ (S. 154)

(c) Königshausen & Neumann

Karl Heinz Martini
Johann Wolfgang von Goethe und die Waffen in seiner Zeit

Würzburg 2023
210 Seiten
ISBN 978-3-8260-8575-8

Preis: 34,80 €


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