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Pößneck als „Goethestadt“ – eine umfassende Dokumentation von Klaus H. Feder

von Andreas Rumler

Achtzehnmal unterbrach Goethe in der sehenswerten kleinen Stadt Pößneck (heute im thüringischen Saale-Orla-Kreis) seine Hin- oder Rückfahrten in die böhmischen Badeorte Teplitz, Marienbad und Karlsbad, sei es um hier zu übernachten oder sich auch nur zu stärken. „Gut gegessen. Fische“ notierte Friedrich Wilhelm Riemer in seinem Tagebuch am 12. Mai 1808, um dann – wohl leicht enttäuscht – hinzuzufügen: „Hat die Wirtin das Zarte vom Spargel abgeschnitten.“ (S. 16). Klaus H. Feder hat sich jetzt die Mühe gemacht, gut 200 Jahre später zusammenzutragen, welche Spuren diese Durchreisen hinterlassen haben. Denn immerhin galt Pößneck 1949 anlässlich der Feiern zu Goethes Geburtstag als vierte der Thüringer Städte, „die mit Fug und Recht größere Goethe-Feiern veranstalten sollten“ (S. 7). Das empfahl Hans Wahl als Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs und Vizepräsident der Goethe-Gesellschaft in seinen Überlegungen zur Vorbereitung der Festlichkeiten: Pößneck sollte neben Ilmenau, Jena und Weimar hervorgehoben werden.

Erstaunlich liest sich, was Klaus H. Feder alles an Bildern und Dokumenten, in Briefen und Tagebüchern, Erinnerungen und alltäglichen Zeugnissen wie Rechnungen gefunden hat und unter dem Titel ausbreitet: „Goethestadt Pößneck. Goethes Aufenthalte in Pößneck. Die Freimaurerloge ‚Goethe‘. Goethe und Pößneck in der Numismatik“. Über Goethes Aufenthalte geben seine und andere Tagebücher Auskunft, wenn auch nur in recht knapper Form, als Gedächtnisstütze verständlich vor allem für ihren Verfasser. Als die Bürger 1880 eine Freimaurerloge gründeten – sie bestand bis 1934 und wurde dann zwangsweise der „Liquidation“ unterworfen –, entschieden die Gründer sich für den Weimarer Dichter als Namenspatron. Ihre interessante Entwicklung wird ausführlich gewürdigt. An diese Geschichte und seine Besuche erinnern zahlreiche Gedenkmedaillen und auch eine Serie von recht hübschen Scheinen „Notgeld der Stadt Pößneck“ mit Motiven aus Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“ aus der Inflationszeit nach 1921. 

Denn natürlich hat Goethe hier nicht nur übernachtet und kulinarischen Genüssen gefrönt, sondern auch wie auf allen seinen Reisen an wichtigen Werken gearbeitet: an den „Zahmen Xenien“, dem kulturmythischen Festspiel „Pandora“ oder eben „Herrmann und Dorothea“ und, wie eine Tagebuchnotiz belegt, als er vom 12. auf den 13. September 1823 zum letzten Mal in Pößneck Station machte, dem vielleicht tiefgründigsten und berühmtesten seiner lyrischen Werke: „Bei sehr schönem Wetter nach Sonnenuntergang in Pösneck eingetroffen. Das Gedicht abermals unterwegs durchgegangen und Bemerkungen gemacht. 13. September 6 Uhr ab von Pösneck.“ (S. 21) Dabei handelt es sich um die Marienbader „Elegie“, in der er seinem tiefsitzenden Schmerz nach der endgültigen Trennung von Ulrike von Levetzow literarisch Gestalt verlieh. Marienbad hat er danach nie wieder besucht, Pößneck ebenso.

Einzelne Szenen in „Herrmann und Dorothea“ lassen sich auf Eindrücke beziehen, die Goethe in Pößneck aufgenommen haben mag. Der Gasthof „Zum goldenen Löwen“, in dem Goethe logierte, existiert nicht mehr, alte Bilder vom Haus und Gedenktafeln geben in dem Band einen guten Eindruck von ihm. Der Name kommt in dem Epos vor, ebenso wie eine „Apotheke zum Engel“ mit einer Barockfigur, deren Vorbilder Goethe in Pößneck gesehen haben könnte, wie auch einen „geweißten Turm“ und „die wasserreichen, verdeckten, / Wohlverteilten Kanäle“ (S. 24). Die notierte er immerhin im Tagebuch am 2. Juli 1795: „Sie denken auch das offene Wasser in der Stadt zu überwölben, überhaupt ist es ein nahrhaft Städtchen.“ (S. 14)    Klaus H. Feder hat sein Buch in 7 Kapitel unterteilt und breitet seine Recherchen gut verständlich vor dem Leser aus. Es ist ansprechend gestaltet in Französischer Broschur, zahlreiche, auch farbige Illustrationen mit ihren reichhaltigen Erläuterungen lassen die Zeit von Goethes Besuchen bis in die jüngere Vergangenheit lebendig werden. Ausführlich widmet er sich der Geschichte der „Freimaurerloge Goethe“ (S. 26 – 81) und dokumentiert dabei, wie bürgerliches Engagement nach 1933 hemmungslos unterdrückt wurde, weil man dort lästige oppositionelle Ideen und Haltungen vermutete. Insgesamt ist Klaus H. Feder damit ein heimatkundliches Werk gelungen, das nicht nur aktuell heutige Regionalhistoriker interessieren dürfte, sondern auch wichtige Grundlagen an Informationen und Dokumenten zugänglich macht, auf die spätere Generationen gern zurückgreifen werden.

Klaus H. Feder
Goethestadt Pößneck. Goethes Aufenthalte in Pößneck. Die Freimaurerloge ‚Goethe‘. Goethe und Pößneck in der Numismatik

Salier Verlag, Leipzig, 2021
125 S. mit zahlreichen Abbildungen

ISBN: 978-3-96285-039-5

Preis: 16,90 €

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 1/2021.


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