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Aus dem Leben der Goethe-Gesellschaft, Interview

Vorstandsmitglieder im Portrait – Dr. Siegfried Jaschinski


Als Mitglied im Vorstand stellen wir Herrn Dr. Siegfried Jaschinski vor, der das Amt des Schatzmeisters wahrnimmt.

Wie kamen Sie zu Goethe und zur Goethe-Gesellschaft?

Der Vorsitzende des Beirats der Goethe-Gesellschaft Michael Albert hatte mich angesprochen, ob ich Mitglied des Beirats werden wollte. Gerne habe ich das Angebot angenommen. Einige Jahre später wurde ich gefragt, ob ich im Vorstand die Rolle des Schatzmeisters übernehmen könnte. Ich habe mich dazu bereit erklärt und die Hauptversammlung hat mich in den Vorstand gewählt.

Ist Goethe noch aktuell oder eher ein Gegenstand für die Wissenschaft und das Museum?

Der wesentliche Grund für mein Engagement in der Goethe-Gesellschaft ist, das nachlassende Interesse, aber auch die geringer werdende Kenntnis von Goethes Schriften wiederzubeleben. Es gibt eben wertvolle Texte wie die von Goethe, die menschliches Leben oder die Conditio humana reflektieren und anschaulich machen, wer wir eigentlich sind. Heute werden wir mit Informationen überlastet und unsere Aufmerksamkeit wird durch soziale Medien häufig überfordernd in Anspruch genommen. Es ist daher lohnend, sich prioritär mit den wenigen als klassisch bezeichneten Texten gründlich zu befassen.

Goethe war Dichter, Wissenschaftler und Politiker – ist eine solche Vielseitigkeit heute denkbar oder gar wünschenswert?

Spezialisierung ist das Kennzeichen der Moderne und sicherlich auch die Voraussetzung für Erfolg, aber Einseitigkeit ist eine Fehlentwicklung. Ich kann von mir selber sagen, dass mein Studium der Geschichte und Philosophie neben der Betriebswirtschaft ein wesentlicher Faktor in meinem beruflichen Werdegang in der Finanzwirtschaft war, um sich auf immer neue Situationen in der Weltwirtschaft und bei einzelnen Unternehmen einzustellen und Strukturen zu erfassen sowie entsprechend zu handeln. „To put something into perspective“ wurde von dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen (sehr interessiert an Philosophie), als eine wesentliche Management-Aufgabe genannt. Insoweit ist Goethe auch heute Vorbild in seiner Vielseitigkeit.

Welche Eigenschaften Goethes sagen Ihnen am meisten zu?

Die Fähigkeit, als Staatsmann Gegenwartsprobleme zu bewältigen und gleichzeitig als größter Dichter Wirkung zu entfalten.

Welche Werke Goethes stehen Ihnen besonders nahe?

Vor allem der „Faust“, außerdem „Iphigenie auf Tauris“.

Welche Funktionen kann oder soll die Literatur aus Vergangenheit und Gegenwart heute haben?

Gute Literatur der Vergangenheit und Gegenwart sollte zum Nachdenken über das Selbstverständnis des Menschen, seine Rolle in der Gesellschaft und sein Verhältnis zu Natur und Kosmos führen.

Weimar ist Sitz der weltweit tätigen Goethe-Gesellschaft; was verbindet sie mit dieser Stadt?

Unmittelbar nach der Wende bin ich mehrmals von Frankfurt aus nach Weimar gefahren. In der durch den Zweiten Weltkrieg wenig zerstörten Stadt – was ja in Deutschland sehr selten ist – ist die durchgängige Tradition der großen Weimarer Zeit erfahrbar.

Wie möchten Sie die Goethegesellschaft mitgestalten?

Ich sehe meine Aufgabe darin zu helfen, das Wertvolle in den Schriften Goethes auch der heutigen Generation wieder zugänglich zu machen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Goethe-Gesellschaft, Ausgabe 1/2021.


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