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Goethe enträtselt – handliches Quiz mit Tiefgang
Ein weites Feld bieten Goethes Schriften: die naturwissenschaftlichen, seine Essays zu Literatur und bildender Kunst oder die Dichtungen – allein, wie kann man sich ihnen und dem Leben des Autors und Wissenschaftlers, als der er sich ebenfalls verstand, am besten heute, knapp 200 Jahre nach seinem Tod, nähern? Wohl kein Leben und Werk eines anderen Autors ist so gut dokumentiert wie Goethes. Legion sind die Biografien und Einführungen oder wissenschaftliche Untersuchungen. Scheinbar bewährte Begriffe wie Klassik sind ungenau und verschleiern mehr, als sie erhellen oder helfen, diesen Autor in seinem ganzen Reichtum zu verstehen.
Warum sich Goethe nicht einmal in spielerisch-vergnüglicher Weise nähern? So oder ähnlich mag Barbara Steingießer gedacht haben, könnte man doch Menschen den Dichter bei spielender Beschäftigung in Gestalt eines Quiz näherbringen, die nicht unbedingt dicke Folianten wälzen, sondern sich lieber mit kleineren Formaten unterhalten lassen und informieren wollen. Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studierte sie vor ihrer Promotion, kuratierte für das Goethe-Museum Schloss Jägerhof in Düsseldorf eine Reihe erfolgreicher Ausstellungen, publizierte über ihn, und fand sich also bestens vorbereitet, künftigen Goethe-Fans mit einem Quiz den Einstieg zu erleichtern.
Handlich und daher auch auf Reisen gut handhabbar ist ihr kleines Kompendium ausgefallen. Sie hat 100 Fragen gestellt, deren Antworten einen detaillierten Überblick geben und vielleicht ja den einen oder anderen Quiz-Freund anregen, doch einfach selbst zu einem Text Goethes zu greifen. Zu den Fragen gibt sie gut begründet konkrete Antworten, allerdings kurzweilig und mit Witz, führt damit exemplarisch vor, warum es amüsant ist und Spaß machen kann, sich näher mit Goethe zu beschäftigen. Häufig bietet sie auch alternative Lösungen, die möglich sein könnten. So im vorletzten Fall:
FRAGE 99
1793 bat Goethe seine Mutter, ihm in Frankfurt am Main ein Spielzeug als Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn zu besorgen. Was wollte er dem kleinen August schenken, der am ersten Weihnachtstag vier Jahre alt wurde?
a) einen Zauberkasten; b) Zinnsoldaten; c) eine kleine Guillotine
Wer das Blatt wendet, liest:
ANTWORT
c: eine kleine Guillotine. Katharina Elisabeth Goethe (1731-1808) antwortete: Alles was ich dir zu gefallen thun kan, geschieht gern… aber eine solche jnfame Mordmaschine zu kaufen das thue ich um keinen preiß… die Jugendt mit so etwas abscheuliches spielen zu laßen – ihnen Mord und Blutvergießen als einen Zeit-vertreib in die Hände geben – nein da wird nichts draus.
So lernt man den Klassiker, Dichterfürsten, Gelehrten, Diplomaten und Staatsmann, vor allem aber auch aufgeschlossenen Lebenskünstler, das Universalgenie Goethe von ganz neuen Seiten und erstaunlich umfassend wie in einem Kaleidoskop kennen. Interessante Fakten des Lebens und Werks werden angesprochen, aber auch scheinbare Nebensächlichkeiten, die Goethe als Bürger greifbar werden lassen mit Hobbys und Gewohnheiten. Man erlebt ihn als liebenden Vater und Sohn, der sich noch in fortgeschrittenen Jahren über mütterlichen Beistand freuen durfte, und fragt unwillkürlich, wie sinnvoll dieses Präsent für den kleinen August unter den leuchtenden Kerzen gewesen wäre … Als Höhepunkt der Bescherung zum Fest der Liebe darf der Sohn dann Puppen köpfen. Oder den sportlichen jungen Mann und Staatsminister Goethe als Schlittschuhläufer (Frage 22), der zunächst irritierte, dann aber zahlreiche Bekannte auch des Hofstaats für dieses Vergnügen zu begeistern vermochte.
Goethes Genie erschloss sich freilich nicht allen seiner Zeitgenossen. Daran erinnert:
FRAGE 56
Wer bezeichnete Goethes „Götz von Berlichingen“ als „abscheuliche Nachahmung jener schlechten englischen Stücke“, ja sprach von ihm als „diesem eckelhaften Gewäsche“?
a) Friedrich der Große; b) Friedrich Schiller; c) Friedrich Hölderlin
ANTWORT:
a: Friedrich der Große. Er schrieb dies in seinem 1780 in französischer Sprache erschienenen Buch „De la littérature allemande; des defauts qu’on peut lui reprocher; quelles en sont les causes; et par quels moyens on peut les corriger“ („Ueber die deutsche Litteratur, die Mängel die man ihr vorwerfen kann, die Ursachen derselben und die Mittel sie zu verbessern“).
Das kleine Format (8 x 8 cm) bringt es mit sich, dass auf den Kärtchen kein Platz für Nachweise von Zitaten vorhanden ist. Wer sich dafür interessiert, wird aber zumeist recht schnell bei einer der Suchmaschinen im Netz fündig.
Entstanden ist so ein kurzweiliges und humorvolles Vexierbild des Dichters und Menschen mit erstaunlichem Tiefgang, das unterschiedliche Einblicke gewährt. Ob man sich die Fragen allein oder gemeinsam in einer Gruppe stellt – es bleibt ein amüsantes Vergnügen.

Barbara Steingießer
Goethe-Quiz. 100 Fragen und Antworten
Düsseldorf 2025
ISBN 978-3-89978-483-1
12,90 €




