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„einfühlsam und ausdrucksstark“ – Roland Kaehlbrandt sprach im Goethe-Museum über Vorzüge der deutschen Sprache

von Andreas Rumler

Gern werben Verlage mit dem Etikett „Bestseller“. An Krimis denkt man oder romantische Geschichten auf englischen Landsitzen mit Pferden an Flussufern. Dass es allerdings einem international renommierten Wissenschaftler wie Professor Roland Kaehlbrandt gelang, mit einer fundierten Analyse unserer Sprache und ihrer Entwicklung die Spiegel-Listen zu erobern, ist schon eine kleine Sensation. Erschienen im September 2022 liegt das Buch in der 8. Auflage vor: „Deutsch. Eine Liebeserklärung. Die zehn großen Vorzüge unserer erstaunlichen Sprache.“ Charmant, mit fast britischem Understatement oder hanseatisch unterkühlt mutet der Titel an, geboren wurde der Autor im norddeutschen Celle. Professor Christof Wingertszahn hatte ihn im Rahmen seiner Vorträge in den eleganten Rokoko-Saal des Goethe-Museums Schloss Jägerhof eingeladen – trotz der zusätzlichen Stühle auf der umlaufenden Galerie erwies er sich fast als zu klein für das Interesse an der Buchpräsentation.

Der Akzent des Autors liegt auf „Liebeserklärung“. Und diese Zuneigung teilte sich den Zuhörern unmittelbar mit. Mit wissenschaftlicher Akribie, pointiert und detailliert analysiert Roland Kaehlbrandt den Gebrauch und die Entwicklung unserer deutschen Sprache. Lange Zeit war die ihr in Deutschland entgegengebrachte Wertschätzung eher bescheiden. Der Adel parlierte Französisch, an den Universitäten wurde auf Latein gelehrt. Deutsch sprach bloß das niedere Volk. Allein, Luther schaute ihm aufs Maul, wurde fündig und sprachschöpferisch tätig. Als Beispiele nannte Roland Kaehlbrandt „Schandfleck“, „Lockvogel“ oder „Mördergrube“.

Eine „Liebeserklärung“ …

Dieser Tradition folgt Roland Kaehlbrandt als Forscher. An öffentlichen Orten hört er seinen Mitbürgern zu, notiert ihre alltäglichen Äußerungen für seine Analyse. Mit Witz und pointiert beschränkte er sich darauf, vier seiner zehn Vorzüge ausführlich zu erläutern. Anhand von Beispielen belegte er, wie „einfühlsam und ausdrucksstark“ die deutsche Sprache sei, wie „geschmeidig in der Wortbildung“, auch „gelenkig im Satzbau“ sowie „schnell und kurz“ – wenn es denn sein müsse.

Extrem elastisch, nicht starr, sondern gelenkig sei die deutsche Sprache, lasse sich flexibel den Gegebenheiten der jeweiligen Situation anpassen, Kaehlbrandt nannte sie ob ihrer vielfältigen Möglichkeiten, Bauteile zu montieren, eine „Lego-Sprache“. Nuancen lassen sich abbilden wie der Unterschied zwischen „Anschmiegen“ und „Anlehnen“. Hinzu käme die Möglichkeit, komplexe Begriffe zu bilden wie Anschmiegsamkeit. Beispiele dieser Art ließ Roland Kaehlbrandt sich vergnügt auf der Zunge zergehen, mit genüsslichem Lächeln, wie es andere Genießer Produkten edler Reben abgewinnen können.

Roland Kaehlbrandt legt Wert darauf, dass eine Sprache lebt, sich weiterentwickelt. Deshalb listete er mit Vergnügen Verkürzungen auf, die sich im Sprachgebrauch etabliert haben. Und natürlich Autoren, denen wir eine Bereicherung verdanken.
Goethe habe über einen aktiven Wortschatz von rund 93.000 Wörtern verfügt, der viele eigene und heute weniger gebräuchliche Wendungen enthielte. Vor allem aber habe er mit seinem Sprachvermögen die Ausdrucksvielfalt bereichert und erweitert. Zahlreiche Neubildungen und Wortschöpfungen gehen auf ihn zurück.
Zitate aus seinen Werken wurden zu geflügelten Worten: „Die Kirche hat einen guten Magen“, das ironische: „Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen“ oder die bekannte Offerte Götz von Berlichingens. Allein die ganz klassisch als „Dramatis personae“ von „Hans Wurstens Hochzeit“ bezeichnete Namensliste löste einmal mehr Heiterkeit im Saal aus.

Inzwischen unübliche Formulierungen wie „unantastbar“ haben es Roland Kaehlbrandt angetan. Einer der schönsten und erhabensten Sätze der deutschen Sprache sei für ihn der Imperativ „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es ging ihm darum, Sprache als Werkzeug zu begreifen, mit dem soziale Verhältnisse abgebildet und bestimmt werden. Er plädierte dafür, auch „leichte Sprache“ zu verwenden, um Analphabeten und weniger gebildeten Menschen den Zugang zu Informationen zu erleichtern, das Anliegen sei sinnvoll, dürfe aber nicht zu einer Senkung des allgemeinen Sprachniveaus führen.

… ohne Purismus

Lebhaft diskutierte er mit den Zuhörern, wie man Anglizismen ins Deutsche übersetzen könne. Etwa das neuerdings so beliebte „Public Viewing“. Ursprünglich habe der Begriff auf den britischen Inseln die öffentliche Betrachtung einer aufgebahrten Leiche bezeichnet. „Rudelgucken“ lautete ein Vorschlag. Und „Happy Hour“ könne man mit „Schnäppchenstunde“ übersetzen, kam eine Anregung aus dem Publikum. Es ging Roland Kaehlbrandt nicht darum, als Purist Übernahmen anderer Sprachen zu verunglimpfen, er wollte an Beispielen belegen, wie effektiv, bildreich und treffsicher sich die eigene Sprache handhaben lasse. Als besondere Bonbons sprachkünstlerischer Art servierte er artifiziell-verspielte Beispiele aus Thomas Manns „Buddenbrooks“, „Felix Krull“ und dem „Zauberberg“.

Für Fröhlichkeit sorgten Funde, aufgeschnappt in jugendlichen Kreisen, wenn es darum ging, eine Technik sei „seniorenleicht“ oder „enkeltauglich“, ein Vorgang „sauklar“. Wahrscheinlich hätten die Zuhörer liebend gern seinem „mega krassen“ Vortrag länger gelauscht. Verschiedene Fragen konnten noch in der Diskussion vertieft werden. Eine allerdings mochte der Referent nicht beantworten: die nach den Vorzügen oder Nachteilen des Genderns. Dafür sei die Stimmung zu gelöst und freundschaftlich gewesen. Diese angenehme Atmosphäre habe er nicht stören mögen.


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